Von der Idee zur fertigen Produktion – Backstagebericht vom Musical Gentlemen

Von der Idee zur fertigen Produktion

Hallo. Mein Name ist Andreas Zöllner, ich bin Produktspezialist für Lichttechnik bei Steinigke Showtechnik aber auch schon viel länger in der Praxis als Lichtdesigner und Techniker unterwegs. Am Wochenende hatte ich ein Musicalkonzert und ich möchte euch einen Einblick geben, wie solch eine Produktion abläuft, welche Technik verwendet wurde und vor allem auch warum Sie zum Einsatz kam.

Was war die Aufgabe?

Die Aufgabenstellung war ein Konzert der Musical Gentlemen zu beleuchten. Die vier professionellen Musicaldarsteller sollen, unterstützt durch eine vierköpfige Band, einem Chor und einen Special Guest beleuchtet werden und das Publikum durch die Lichtstimmungen optisch in die verschiedenen Musicals zu versetzen. Das Licht-Equipment musste komplett in einen Sprinter passen und vor Ort mit 3 Leuten in etwa 6 Stunden aufgebaut und Einsatzbereit sein. All dies wurde in einer Besprechung mit der Produktionsleitung geklärt.

Was ist bei der ersten Location Begehung zu beachten?

Solch eine Produktion beginnt im Normalfall etwa 8-12 Wochen vorher mit einer Vorort-Besichtigung. In diesem Fall konnte ich mir dies ersparen, da ich das Konzerthaus in Heidenheim schon seit meiner Jugend kenne und dort meine ersten Bühnentechnikererfahrungen sammeln konnte. Ist eine Location aber unbekannt, so ist dieser Vororttermin extrem wichtig. Dies beginnt mit dem Abklären der Ladesituation, also wo die Transporter geparkt werden können, auf welchem Wege die Technik auf die Bühne kommt und wie lange man dafür in etwa braucht. In der Location selber sind die Kabelwege ein wichtiger Punkt. Also wie die Kabel verlegt werden können ohne ein Risiko für Darsteller oder Publikum darzustellen und welche Kabellängen benötigt werden. Dann natürlich die Stromsituation vor Ort, also was an Anschlüssen vorhanden ist und wo diese Anschlüsse liegen.

Die Herausforderung mit dem Rigging

Auch die Montagepunkte sind wichtig, in diesem Fall stehen 7 Züge zur Verfügung. Dies klingt erst einmal toll, aber die Züge sind Konterzüge aus dem Jahr 1905. Konterzüge sind quasi umgekehrte Flaschenzüge. Mit einem Meter Seilweg verfährt man hier die Stange um vier Meter. Das heißt aber auch, jedes Kilo, dass man an den Zug hängt wiegt am Seil 4 Kilogramm. Man muss also die Züge erst herunterfahren, daran ein Seil befestigen, dann wieder hochfahren und die Gegengewichte mit dem vierfachen Gewicht beschweren. Dann muss man mit 3 Leuten und mit dem Seil die Züge wieder herunterziehen und kann erst dann die Geräte aufhängen. Und mehr als 50 Kilogramm pro Zug dürfen grundsätzlich nicht gehängt werden. Zudem haben die Rohre einen Durchmesser von nur 42 Millimeter. Normale 50mm Truss-Schellen* können also nicht verwendet werden.

Wie kann vorhandene Technik genutzt werden?

Dann muss noch geklärt werden, was im Haus schon an Technik vorhanden ist und welche Sachen für die Veranstaltung genutzt werden können. Also, was eventuell schon an Licht im Haus vorhanden ist und wie man es in sein System integrieren kann. In diesem Fall hängen im Saal und über der Bühne schon Weißlichtscheinwerfer, die über einen Merger auf 48 DMX Kanälen angesprochen werden können.

Wie wird das Lichtdesign erstellt?

Der nächste wichtige Schritt ist das Lichtdesign und die Erstellung der Pläne. Dies beginnt für diese Produktion in dem Moment in dem ich die erste Songliste bekomme. Also welche Lieder an diesem Abend gesungen werden. Anhand dieser Liste arbeite ich mich in die einzelnen Songs ein. Ich versuche also für jedes Lied ein Bild zu bekommen, wie es optisch umgesetzt werden könnte. Bei einigen Liedern ist mir dies sofort klar, bei anderen dauert es etwas. So wusste ich sofort, dass ich für ein Lied aus Les Miserables die französische Flagge im Hintergrund darstellen möchte. Für das Phantom der Oper sollte eine dramatisches Bild die Katakomben der Pariser Oper mit ihren Säulen zu sehen sein . Die zwei Lieder von Miss Saigon sollten einmal im Dschungel Vietnams spielen und einmal der riesige Sonnenball vor dem blutroten Horizont zu sehen sein, die auch im Logo des Musicals zu sehen ist. Mir unbekannte Stücke erarbeite ich mir anhand von kurzen Inhaltsangaben und youtube Videos. Meist bleiben dann 2-3 Stücke übrig, zu denen ich gar keine klare Vorstellung habe, die ich dann nutze um optische Möglichkeiten, die sich erst beim Programmieren zeigen zu realisieren.

Vom Lichtdesign zur Technikliste

Mit diesen Bildern, die dadurch in meinem Kopf entstehen wächst auch die Technikliste. So überlege ich für jedes Lied, wie ich das Bild in meinem Kopf mit der schon geplanten Technik realisieren kann oder was noch dazu kommen muss. Im Endeffekt steht dann eine Liste an Scheinwerfern und Positionen die ich dann nochmal überarbeiten muss, damit es ins Budget und die Möglichkeiten passt. In ganz seltenen Fällen kann ich sogar noch etwas hinzunehmen. Danach werden von mir die Pläne erstellt. Dies ist im Normalfall ein großer Übersichtsplan mit allen Scheinwerferpositionen, wenn erforderlich dazu Detailpläne und eine ausführliche Liste, aus der die DMX Adressen, Universen und die Stromgruppen hervorgehen. Und natürlich eine detaillierte Technikliste für das Laden der Transporter.

Der Aufbau

Der Aufbaustart war am Freitag um 10.00 Uhr. Da wir direkt an einen Lastenaufzug anfahren können, der direkt auf die Bühne führt ist das gesamt Equipment in 20 Minuten auf der Bühne. Als erstes wird die große Leinwand des Hauses an den hintersten Zug gehängt, da sie unsere Projektionsfläche sein soll. Direkt davor werden 6 Eurolite LED PMB 8 COB RGB* Leisten gehängt und später dieselbe Anzahl auch auf den Boden gestellt. Diese Bars haben eine sehr hohe Lichtleistung und einen Abstrahlwinkel von 60 Grad und sind daher sehr gut geeignet um solch eine Fläche sehr gleichmäßig einzufärben. Zudem sind die Mischfarben der COB LEDs hervorragend und die Geräte, wie alle eingesetzten, sehr leise.

Wie werden Farbakzente gesetzt?

Als nächstes werden 9 Futurelight Eye 19* gehängt. 7 davon hängen im hinteren und mittleren Bereich der Bühne um als Spitze und Gegenlicht zu dienen. Die Spitze ist ein steil von hinten kommendes Licht, das den Kopf und die Schultern der Darsteller beleuchtet. Dies hebt den Akteur vom Hintergrund ab und schafft eine tolle Räumlichkeit. Zudem können tolle Farbakzente gesetzt werden. Zwei Eye 19 kommen an den vordersten Zug um ein zusätzliches farbiges Frontlicht zu geben, vor allem für Szenen, bei denen der Chor nur etwas beleuchtet im Hintergrund zu sehen sein soll.

Warum viele Scheinwerfer gestellt anstatt gehangen werden?

Auch an den vorderen Zug mittig kommt ein Futurelight DMH 200*. Zwei weitere werden auf die Subwoofer Türme links und rechts an der Bühnenkante gestellt. Gestellt werden sie, weil die Züge bei Bewegungen der Moving Heads stark mitschwingen und einige Zeit brauchen, bis sie sich wieder beruhigt haben. Dass ist natürlich gerade für Projektionen fatal. Daher versuche ich so viel wie möglich zu stellen. Zudem stehen die Subwoofer dann vor dem Vorhang und ich kann mit diesen beiden Scheinwerfern auch ein Streiflicht auf die Vorhänge geben und für das Phantom der Oper auch den vordersten der drei riesigen Kristall Kronleuchter im Saal in Szene setzen.

Wie dramatische Bühnenszenen lichttechnisch realisiert werden?

Besonders für dramatische Szenen oder als Akzente machen sich Streiflichter auf der großen Leinwand sehr gut. Daher stehen direkt an der Leinwand 6 Eurolite TMH X 25 Zoom* und 5 Futurelight DMH 160*. Die X 25 Zoom haben einen riesigen Zoombereich, so dass sie sowohl einen engen Lichtstrahl als auch eine breite Fläche auf dem Hintergrund erzeugen können. Die Helligkeit der Scheinwerfer ist sehr hoch und die Farbmischung sehr gut. Somit kann ich hiermit sehr viele verschiedene Eindrücke zaubern und zwischen den einzelnen Szenen auch stufenlos ineinander übergehen lassen. Die DMH 160 erzeugen mit ihren Gobos und Prismen weitere interessante Struktureffekte auf dem Hintergrund. Als fast letztes stehen vorne an der Bühnenkante noch drei PMB 4 Scheinwerferbars, die den Vorhang in tiefes Rot tauchen, wenn er geschlossen ist und ansonsten als Rampen dienen, die in den mysteriösen Szenen einen farbigen Touch von unten geben und dadurch sehr interessante farbige Schatten in den Gesichtern erzeugen. Eine weitere PMB 4 Bar steht etwas eingerückt auf der Bühne um den weißen Flügel des musikalischen Leiters bei einigen Szenen mit einzubeziehen.

Das Frontlicht

Das weiße Licht für die Akteure wird mit der Hausanlage realisiert. Dazu hängen im Saal acht alte, aber sehr gute ENI (Emil Niethammer) Profiler mit je 2000 Watt Leistung die in etwa die vorderen drei Meter der Bühne beleuchten. Der Bereich dahinter, also die Podeste werden von 8 weiteren Stufenlinsen im Bühnenportal (der nicht sichtbare Bereich direkt über dem Vorhang) beleuchtet. Zudem kommen zwei Eurolite LED SL 350 Verfolger* zum Einsatz. Diese stehen in etwa 25 Meter Abstand zur Bühne. Dieser Scheinwerfer beeindruckt mich übrigens jedesmal wieder aufs Neue. Mit gerade einmal 10 Kilogramm Gewicht und sehr kompakten Abmessungen können sie in Punkto Lichtleistung und Funktionen locker Geräte mit 1200 Watt Entladungslampe ersetzen. Und diese wiegen in etwa 60 bis 80 Kilogramm und sind viermal größer. Als Stative verwenden wir übrigens Eurolite STV 200*, die kugelgelagert sind und mit denen sich hervorragend verfolgen lässt.

Wie wird das Licht programmiert?

Das Ausladen, der Aufbau und das Einleuchten der Hausanlage dauert in etwa 5 Stunden, so dass ich um 15 Uhr beginnen kann die ersten Szenen zu programmieren. Programmiert wird auf einer GrandMA2 on PC mit Command Wing. Benötigt werden etwa 600 DMX-Kanäle, also zwei Universen. Diese gehen auf je 2 Splitter und von dort zu den einzelnen Bereichen. Als Strom wird das Ganze problemlos auf einem 32A Drehstromanschluss gefahren, das Hauslicht hat eine extra Stromversorgung.

Beim Programmieren gehe ich so vor, dass ich erst einmal jedes Bild grob erstelle. Auf der Bühne finden schon einige Stell und Gesangsproben statt, die ich schon einmal nutze um die genauen Positionen der Akteure herauszufinden. Sind alle Bilder programmiert, 32 in der Anzahl, mache ich mich an die Feinarbeit. Das heißt, dass nicht nur jedes Bild nochmal angefasst wird sondern auch dass die Abläufe und Übergänge erstellt werden. Denn es sollen ja keine harten Lichtwechsel oder andere unschöne Dinge in der Show zu sehen sein. Jeder Übergang muss weich möglich sein. Dafür muss beim Programmieren viel mitgedacht werden, dass alle Gobowechsel, die Farben und so weiter im Off möglich sind.

Den Ablauf der Show habe ich es so realisiert, dass immer aus der aktuellen Stimmung in die neue Stimmung übergeblendet wird. Einen klassischen Black Out mit totaler Dunkelheit gibt es gar nicht. Am Ende des Liedes wird das Frontlicht und Teile der Stimmung weggenommen. Das Frontlicht wird dann für den Applaus und eine eventuell folgende Moderation wieder aufgezogen. Dann wieder weggenommen und mit einsetzen der ersten Töne des nächsten Liedes in die nächste Stimmung übergeblendet.

Generalprobe und finale Show

Am nächsten Tag standen erst einmal der Soundcheck sowie einzelne Proben an. Diese Zeit habe ich dann genutzt um meine Arbeiten vom Vortag nochmal zu kontrollieren und an Übergangen zu feilen bis sie absolut sauber sind. Bei der Generalprobe sehe ich dann das erste Mal, was tatsächlich auf der Bühne passiert. Erst jetzt kann ich also das tatsächliche Weißlicht dazu programmieren, die Verfolger einweisen, was an der jeweiligen Stelle zu passieren hat und die Zeiten vor allem der Übergänge und die Bewegungen zum Rhythmus kontrollieren und korrigieren. Danach bleiben noch einmal etwa 1 ½ Stunden bis zum Publikumseinlass um ein letztes Mal alle Bilder zu kontrollieren, Übergänge zu optimieren und die Show nochmals in Gedanken durchzugehen. Die Show selbst wird dann einfach durchgedrückt. Auf 4 weiteren Fadern liegen verschiedene Frontlichtstimmungen falls die Akteure falsch stehen oder Ihnen doch noch einfällt an der einen oder anderen Stelle eine Moderation einzubauen.

Kaum ist der Vorhang geschlossen beginnt auf der Bühne der Abbau. Innerhalb von 1 ½ Stunden ist alles abgebaut und im Transporter verladen und endlich kommt das Feierabendbier. Weitere Projekte findet ihr auch auf meiner Facebook Seite Lichttturm Lichtdesign und Technik

Weitere Fragen zur Produktion Tipps könnt ihr Andi Zöllner gerne in unserer Facebook Community stellen.

Über den Autor

Andi Zöllner
Hallo. Mein Name ist Andreas Zöllner, ich bin Produktspezialist für Lichttechnik bei Steinigke Showtechnik aber auch schon viel länger in der Praxis als Lichtdesigner und Techniker unterwegs. Weitere Projekte findet ihr auch auf meiner Facebook Seite --> Lichttturm Lichtdesign und Technik