Wer kann am meisten Technik auffahren...
Wenn ich im TV größere Shows schaue, die aufwendig produziert sind, wo jedes Detail perfekt stimmt, wo jeder Pixel und jede Lampe der Bühne perfekt visualisiert ist, die Kamerafahrten zu 100% stimmen, frage ich mich, was steckt eigentlich hinter so einer Produktion? Welche Technik wurde verwendet? Wer ist der Lichtdesigner? Welche Firma ist Technikdienstleister?
Am Beispiel des Eurovision Song Contest 2017 bin ich diesen Fragen auf den Grund gegangen!
Was ist der Eurovision Song Contest ?
Der Eurovision Song Contest ist ein Musikwettbewerb, welcher jährlich stattfindet und schon seit 1956 existiert. Dieser wird von der EBU, der Europäischen Rundfunkunion, veranstaltet. Hierbei treten alle europäischen Länder, die teilnehmen möchten und Mitglied in der EBU sind, gegeneinander an. Jedes Land stellt einen Künstler, der auf der Bühne performt.
Eine Fachjury bewertet die einzelnen Acts mit Punkten von 1 bis 8, 10 und 12. Zusätzlich zur Fachjury gibt es eine Telefonabstimmung unter den Zuschauern und Publikum mit dem gleichen Punktesatz. Jedes Land wird mittels Live Schalte einzeln aufgerufen und verkündet seine Abstimmungsergebnisse. Das Land, welches am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt den Song Contest und darf im Folgejahr Gastgeberland sein.
Der Erfolg der Deutschen hielt sich in Grenzen. Insgesamt haben wir nur zweimal gewonnen. Einmal 1982 mit Nicole die mit dem Lied “Ein bisschen Frieden*”
Beim zweiten Mal 2010, hatte Stefan Raab seine Finger im Spiel und entdeckte mit seiner Show “Unser Star für Oslo” Lena Meyer-Landrut*. Diese rockte die Bühne des ESCs mit ihrem Song Satellite. Somit wurde der nächste ESC dann in Deutschland, genauer in Düsseldorf ausgetragen.
Aus Tradition eröffnet der Vorjahressieger den ESC im nächsten Jahr. Und so konnte es sich Stefan Raab, der 2011 zusammen mit Anke Engelke und Judith Rakers moderierte, nicht nehmen lassen, den Song von Lena in einer Big Band Variante zu arrangieren. Hierbei wurden alle Register gezogen. Neben der riesigen LED- Wand kam, auch einiges an Pyrotechnik zum Einsatz. Aber seht am besten selbst.
Was wurde beim ESC 2017 für Technik verwendet?
Auch dieses Jahr kam wieder sehr viel Technik zum Einsatz. Ola Melzig von M&M Production auf seiner Seite einen täglichen Blog erstellt, wo sehr viele nützliche Informationen zu finden sind. Insgesamt wurden 200 LKW Ladungen an Equipment angeliefert, die von 100 Personen ausgeladen und 150 wieder eingeladen wurden.
Die Auflistung der Technik ist wie folgt gegliedert:
- Licht
- Video
- Sound
- Pyro
- Rigging und Bühne
- Strom
Licht
Insgesamt kamen 1816 Lampen zum Einsatz, die einen Stromverbrauch von 854000 Watt haben. Mit über 61km Kabel wurden diese verbunden. Die Lampen nahmen insgesamt 67000 Kanäle in Anspruch und wurden über 5 Pulte gesteuert. Als Backup kamen nochmal 5 weitere Pulte zum Einsatz.
Insgesamt waren 40 Leute involviert, um das Licht während der Show zu steuern. Um die Künstler immer im rechten Licht zu haben, wurden 16 Verfolgeroperatoren benötigt.
- 68x PRG Best Boy HP2
- 160x CP Scenius Unico
- 56x PRG Best Boy Wash Blade
- 55x PRG Best Boy Wash
- 130x PRG Icon Edge
- 132x Elation Platinum FLX
- 70x Elation Platinum Seven
- 142x Elation Platinum 1200 Wash
- 20x GLP A4 Bar 20
- 23x GLP JDC-1
- 88x Ayrton Magic Panel FX
- 60x SGM Q7 RGB
- 36x SGM Q7 W
- 36x SGM P2
- 110x Elation Sixbar 1000 RGBAWUV
- 37x Robe BMFL Wash/Beam
- 52x Martin MAC2000 Wash XB
- 24x Expolite TourLED CM42
- 351x Elation Paladin
- 78x ETC S4 CE LED Series2 Dayhlight HD 15°-30° Zoom
- 4x PRG Ground Control Follow LongThrow
- 14x PRG Ground Control Follow BadBoy
- 8x LitePanel MiniPlus daylight,
- 6x RingLite DMX-control
- 12x Arri Broadcaster DMX
- 48x Fresnel 500W/650W
- 20x Fresnel 1000W
- 6x MDG ATMe, DMX-controlled + extra Fan
- 4x Fog Smoke Factory CaptainD
- 12x Robe pickle patt
- FOH Licht
- 1 GrandMA2 Light als Systemdesk für den FOH
- 1 GrandMA2 Light als Systemdesk für die Arena
- 1 GrandMA2 light als Trigger Konsole in der Sound Abteilung
- 1 GrandMA2 Fullsize Keylights
- 1 GrandMA2 Fullsize Keylight
- 1 GrandMA2 Fullsize als Backup für die Keylight
- 1 GrandMA2 Fullsize Hauptoperator
- 1 GrandMA2 Fullsize als Backup fürs Showlicht
- 1 GrandMA2 Fullsize Publikumsbeleuchtung
- 1 GrandMA2 Fullsize Video Operator
- 1 GrandMA2 Fullsize Video Backup
- 1 GrandMA2 Light als Delegation Specials
- 4 GrandMA2 Fader Wings für spezielle Fader
- 2 OnPC Fader Wings, welche auf einem OnPC laufen und zur Steuerung des Kameralichts zuständig sind.
- 3 Grand MA3D für die Visualisierung
- 20 NPU/Network Processing Unit aktiv während des Programms
- 9 NPU/Network Processing als Backup aber schon mit dem Netzwerk verbunden
- 28 Nodes (8port Nodes)
Video
Der LED Screen hat eine größe von 1000m² und eine Auflösung von 71.000.002 Pixel, welche über 12 Mediaserver von 10 Leuten gesteuert wird. Zusätzlich dazu kamen noch 56 High Output Projektoren und 4 High End MMS Systeme zum Einsatz. Zuständige Firma für die Umsetzung war FIX8Group.
Hier eine detaillierte Auflistung des Videoequipments:
- 16x Hippotizer V4 Boreals (9 aktive und 7 als Backup)
- 35x Active HD Outputs
- 168x Video Layers
- 3x 33×33 Lightware Matrixes
- 2x Avitech Titan 9000 Multiviewers
Sound
Der Sound kam von insgesamt 258 Lautsprechern die insgesamt über 825 600 Watt haben. Für die Künstler kam 212 Mikrofone zum Einsatz. Damit diese sich auch hören können, wurden 152 In Ears verwendet. Der Sound wurde über 13 Konsolen von insgesamt 34 Leuten realisiert. Welches Equipment genau verwendet wurde, ließ sich leider nicht herausfinden.
Pyro
Für die nötige Pyrotechnik sorgten 48 Flame Jets. Pyro wurden von insgesamt 50 Positionen in der Halle abgefeuert.
Hier eine detaillierte Auflistung der Pyrotechnik
- 3x FireCTRL Firing Desk
- 100x FireCTRL Field modules
- 1x MA DOT2 Dmx Desk (für Smoke Jets und dichtem Nebel )
- 24x TBF Single Shot flame units
- 24x TBF Spraymasters
- 6x Le Maitre Freeze Fog + G300 Heavy Nebelmaschinen
- 6x Ultratec Floor Pockets für dichten Nebel
- 8x Magic FX Stadium Shots
- 8x Co2 powered Confetti Cannons
- 16x MagicFX Smoke Jets
- 1x TinyFogger
- 36x Co2 Flaschen
- 120x 40 Liter Co2 Flaschen
Rigging und Bühne
Damit alle Lampen und Lautsprecher richtig positioniert werden können, wird natürlich auch ein Rig benötigt. Insgesamt hingen unter der Decke 212 Tonnen an Material, welches an 735 Anschlagspunkten befestigt war. An den 112 Cyberhoist Kettenzügen hingen 3262m Traversen. Es brauchte insgesamt 42 Rigger, um die Konstruktion aufzubauen.
Die Bühne hatte ein Gewicht von 30 Tonnen und 350m² Spielfläche. Die Maße der Bühne betrugen 70 Meter in der Breite, 14 Meter in der Höhe, 28 Meter in der Tiefe. 40 Stagehands haben insgesamt 8000 Stunden gebraucht, um die Bühne fertigzustellen.
Strom
Für die Stromversorgung sorgten 18 Generatoren die in der Spitze 7 Megawatt Strom produzieren konnten und jeden Tag um die 20.000 Liter Sprit verbrauchten. Es wurden 38,5 km Stromkabel verlegt, 6,7km davon waren Multicore Kabel. Zum Überqueren von Wegen dienten 660 Yellow Jackets.
Wer war der Lichtdesigner?
Auch in diesem Jahr war Jerry Appelt wieder für das Lichtdesign der ESC Bühne zuständig.
Wie viele Kameras wurden eingesetzt?
Insgesamt kamen 30 Kameras zum Einsatz. 19 davon waren für die Übertragung zuständig. Einige von diesen hingen an 3 Kränen und 2 Seilen. Für die Übertragung wurden 50 Personen benötigt. Das Video zeigt sehr eindrucksvoll die Kamerakräne.
Beim ESC werden die besten SteadyCam Operatoren eingesetzt, um möglichst perfekte Kamerabewegungen am Boden zu realisieren. Da die Halle sehr groß ist und weite Strecken zurückgelegt werden müssen, wurde ein Jahr beim ESC ein SteadyCam Operator sogar auf ein Segway gestellt. Dieser ist dann bis zur Bühnenkante vorgefahren und vom Segway direkt auf der Bühne weitergelaufen. Wie das aussah seht ihr in diesem Video.
Welche Veranstaltungstechnikfirma war für die technische Umsetzung verantwortlich?
Für die technische Umsetzung war auch 2017 wieder die PRG Group zuständig. Diese haben die nötige Erfahrung, Ressourcen und Mittel um, so eine Großveranstaltung umzusetzen. In diesem Jahr wurde von PRG auch erstmals das eigene GroundControl Long Throw eingesetzt, welches 18 Spotsitze im Rig wegfallen ließ. Das Ground Control System hat den Vorteil, dass der Spotoperator den Followspot nicht mehr manuell bedienen muss und diesen über einen Remote System steuern kann. Dieses Video erklärt das System sehr gut.
Fazit
Der ESC begeistert jedes Jahr die Massen und ist mit über 200 Millionen TV Zuschauern ein Event der Spitzenklasse. Jedes Jahr denkt sich der Lichtdesigner neue Möglichkeiten aus, die Massen mit den Shows der Acts zu begeistern. Für Veranstaltungstechniker jedes Jahr ein interessantes Event, wo mit einer Technikschlacht gezeigt wird, was gerade so State-of-the Art ist. Auch hier kann das Motto angewandt werden “Weniger ist oft mehr” sodass sich mit einer geringeren Anzahl von Equipment sicher ähnliches erzeugen ließe. Aber da es hier faktisch kein Limit nach oben gibt und es oft schwierig ist das „weniger“ zu definieren, wird hier natürlich ordentlich aufgefahren. Ich gucke mir den ESC jedes Jahr gerne an und bin jedes Jahr aufs neue gespannt, was sich dieses mal für neue Showelemente präsentieren. Abschließend gibt es hier noch ein interessantes Behind-the-scenes Video von PRG Deutschland.
Coverbild: Symbolbild, Pexels