Livestreaming ist aktuell einer der wenigen Möglichkeiten für Veranstaltungstechnikfirmen Aufträge zu generieren. Vorausgesetzt ein kleiner Technikpool im Bereich Videoequipment ist vorhanden. Das Thema Video ist in den letzten Jahren durch immer günstigere Technik in den Fokus vieler mittleren und kleinen Technikfirmen gerutscht. Sei es für Projektions- oder LED-Wandbespielung mit Livebildern oder Powerpoint- Management für Kongresse und Tagungen. Nach den ersten Coronaschocks rückt jetzt der Livestream in den Mittelpunkt: Firmen möchten Kunden erreichen, ohne persönlichen Kontakt. Da ist Streaming eine gute Möglichkeit für Veranstaltungstechniker sich hier wieder langsam an den Markt zu wagen.
In diesem Beitrag geht es darum mit kleinen technischen Mitteln das eigentliche Streaming zu realisieren. Kamera- und die eigentliche Videotechnik spielt in diesem Artikel eine untergeordnete Rolle. Wir konzentrieren uns darauf, das Videosignal mittels drei technischen Möglichkeiten zu YouTube zu bekommen. Natürlich gilt es auch für andere Plattformen, die RTMP anbieten.
RTMP – vier Buchstaben für unsere Übertragung
Zu aller erst klären wir diese vier Buchstaben: RTMP, das steht für Real Time Messaging Protocol. Dieses Protokoll wird in der Netzwerktechnik für die Übertragung von Audio- und Videodaten in Echtzeit übertragen. Es dient also als Basis, um unser Videosignal zwischen zwei Punkten zu übertragen. In unserem Fall von unserem Streaming Encoder bis zu YouTube oder Facebook. Alle großen Plattformen bieten ein Streaming über das RTMP- Protokoll an. Die Seiten stellen hierfür einen Streaminglink und einen Streamingkey zur Verfügung. Der Link ist quasi meine Hausadresse, wo der Stream landen soll und der Streamingkey mein Haustürschlüssel (Zugangsschlüssel). Die Plattformen zeigen beide Informationen beim Einrichten des Streams an. Die Streaming URL sieht bei Youtube zum Beispiel so aus: rtmp://a.rtmp.youtube.com/live2, oder Schlüssel aus einem Buchstaben- und Zahlencode.
OBS als Softwarelösung mit Webcam- Interface
“Open Broadcast Service” ist eine kostenlose Software, die quasi softwarebasiert einen Bildmischer generiert. Diese Software bietet uns die Möglichkeit verschiedene Quellen zu mischen und Einblendungen vorzunehmen. Aus dieser Software heraus kann ich dann zu meinem Zielort mittels RTMP streamen. Wir haben in dem Programm die Möglichkeit Quellen auszuwählen und anzuordnen. Eine Quelle kann beispielsweise eine Webcam sein. Eine andere Quelle ist meine Computer-Oberfläche. Diese kann ich beliebig anordnen. So können wir gleichzeitig eine Powerpoint Präsentation durchgehen und den Redner mittels Kamera zeigen. Zusätzlich möchte ich mein Firmenlogo einblenden, alles kein Problem mit dieser Software.
Der Clou an der Sache ist hier die Nutzung der Webcam. Es gibt verschiedene Geräte die dem Rechner eine Webcam vorgaukeln, wir aber ein HD-SDI oder HDMI-Signal anschließen können. Mit dieser Technik können wir also unsere vorhandene Videotechnik zum streamen bringen. Diese Interfaces gibt es zum Beispiel von Blackmagic Design. Der “Webpresenter” macht genau das: Er tarnt das Videosignal als USB Webcam. In OBS kann ich dann diese Quelle auswählen und mir programmfüllend darstellen. Der Webpresenter verfügt über SDI und HDMI-Input. Audio kann separat angeschlossen werden. Preislich liegt dieses Gerät um die 600€. Eine günstigere Alternative ist “CamLink” von Elgato. Dieser Stick bietet allerdings nur eine HDMI Schnittstelle.
Als kleine “Wunderwaffe” gibt es von Blackmagic Design das “Atem Mini”. Das ist ein kleines 4-Kanal HDMI-Mischpult, welches über USB auch an den Rechner angeschlossen werden kann. Auch hier wird wieder eine Webcam erkannt und kann in OBS integriert werden. Ist das Signal erst einmal in OBS eingebunden, kann man mit ein paar Youtube-Tutorials noch schöne grafische Elemente integrieren. Das Streaming ist schnell eingerichtet. In den Einstellungen werden Streaminglink und Key eingegeben. Und mit “Streaming starten” wird das Bild aus OBS gestreamt. Wichtig hier: Es muss natürlich eine ausreichend große Internetverbindung vorhanden sein. In den Einstellungen sollte für einen qualitativ guten Stream eine Datenrate von 6000kbits eingestellt werden. Das muss natürlich der Upload der DSL- Leitung hergeben.
Streaming mit LiveU Solo
Ein gefragtes Gerät ist zur Zeit die “Solo” vom Hersteller LiveU. Dieses Gerät ist ein Hardwareencoder, der über mehrere Netzwerkverbindungen mein Streamingsignal zur Plattform überträgt. Hierzu kommen wir gleich. Im Gegensatz zur Softwarelösung mit OBS übernimmt hier ein Hardwaregerät die Rechenleistung. Es ist also genau für diesen Zweck ausgelegt. Je nach Variante kann ich an die LiveU Solo eine HD-SDI- oder HDMI-Quelle anschließen. Über eine Weboberfläche gebe ich auch hier wieder meine RTMP-Daten ein. Eine direkte Verknüpfung mit YouTube, Facebook und Co. ist hier auch möglich. Dann fällt die manuelle RTMP-Konfiguration weg.
Der große Vorteil dieses Streamingencoders ist, dass wir eine gebündelte Übertragung über mehrere Netzwerkverbindungen herstellen können. Genau genommen sind das bei der LiveU Solo zwei LTE-Karten, einmal WLAN und einmal LAN. Sollte zum Beispiel der DSL Anschluss keinen ausreichenden Upload bereitstellen können, wird die Bandbreite auf die weiteren Verbindungen aufgeteilt. Ein Beispiel: Mein Gerät verfügt über zwei LTE- Verbindungen, jeweils einmal Vodafone und Telekom. Zusätzlich habe ich ein WLAN vor Ort. Als Bandbreite für einen Stream benötige ich mindestens 6000kbit/s. Das WLAN und der dahinter stehende DSL-Anschluss bieten jedoch nur einen Upstream von 2000kbit/s. Mir fehlen also noch 4000kbit/s. Die beiden LTE-Verbindungen greifen nun unter die Arme: Jede SIM-Karte übernimmt weitere 2000kbit/s. So kommen wir mit allen drei Verbindungen wieder auf unsere gewünschten 6000kbit/s. LiveU bietet diesen Bündelungsservice unter dem Namen “LRT” an. Technisch streamen wir genau genommen über die drei Verbindungen nicht direkt zu Youtube, sondern zu einem LiveU Server. Dieser setzt die Datenpakete aus allen drei Verbindungen wieder zusammen und streamt zu Youtube. Diese Aufteilung auf die verfügbaren Verbindungen passiert automatisch und dauerhaft. Sollte also eine Verbindung wegbrechen, passt LiveU sofort die Bandbreiten neu an. Somit ist auch eine Redundanz gegeben.
Natürlich können wir auch mit weniger Streamen, dadurch verringert sich aber die Bildqualität immens. Das gilt für alle Varianten. Für Streams an Orten, wo nicht direkt eine DSL-Verbindung vorhanden ist, z.B. in einer Kirche, ist die LiveU Solo also eine super Möglichkeit sich die Netzverbindung herzustellen. Preislich liegt das Gerät bei rund 830€ für die HDMI- Variante (SDI- Variante ist auch verfügbar), hinzu kommen jährliche Lizenzkosten für die LRT-Bündelung von 400€. Die Lizenz kann auch monatlich abonniert werden. Und sollte LTE genutzt werden, brauchen wir entsprechende Verträge. In diesem Fall zwei Stück mit ausreichendem Datenvolumen. Wie es in unserer Branche so üblich ist: Auch hier gibt es Verleiher für solche Spezialtechnik.
Weitere Hardware Encoder
Haben wir vor Ort eine ausreichende Internetverbindung können wir auch auf Geräte zurückgreifen, die keine Bündelung bieten. Solche Encoder gibt es zum Beispiel von Teradek. Das Modell “VidiU Pro” bietet Ethernet, WIFI oder einen LTE Stick als Übertragung. Auch hier sagen wir dem Gerät das Streamingziel mittels URL und Key. Über eine Verbindung wird dann mittels RTMP-Protokoll zum Ziel, also YouTube, gestreamt. Eine Bündelung von mehreren Datenverbindungen bietet dieses Gerät jedoch nicht. Sollte die Verbindung unterbrochen werden, bricht der Stream im Gegensatz zur LiveU Solo ab. Preislich liegt dieses Gerät bei 700€ für die HDMI-Variante. Das Gerät ist klein und handlich, kann sogar mittels Blitzschuh-Adapter auf die Kamera gesetzt werden.
Bei der OBS-Lösung haben wir bereits BMDs “Atem Mini” angesprochen. Neu ist die Variante “Atem Mini Pro”. Dieses kleine Pult hat einen Streaming Encoder eingebaut. Ich kann den HDMI-Bildmischer also direkt per Ethernet an meinen Router hängen und damit zu YouTube streamen. Die Konfiguration erfolgt mittels Blackmagics “Atem Control Software”. Hier gebe ich die RTMP-Daten ein. Auch hier nutze ich wieder nur eine Datenverbindung – ist diese weg, stoppt auch der Stream. Doch für einen Preis von ca. 700€ gibt es ein kleines Bildmischpult mit Encoder. Allerdings ist dieses Gerät noch nicht lieferbar, bzw. die Lieferzeiten sind aktuell sehr lang.
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle gesagt, dass es weitere Encoder z.B. von Videodata, Marshall, Cerevo, etc. gibt. Der Beitrag hier soll mit den Beispielgeräten die Funktionsweise verdeutlichen. Das Prinzip ist jeweils das Gleiche: Das Videosignal wird per HD-SDI oder HDMI angenommen und wird per RTMP zur Plattform übertragen. Mittlerweile haben auch einige Kameras von diversen Herstellern einen Encoder direkt eingebaut.
Fazit zu den möglichen Lösungen
Wir haben nun drei mögliche Wege zum Livestream kennengelernt. Software mit “Webcaminterface”, Hardware Encoder mit einer Datenverbindung und die LiveU Solo mittels gebündelter Übertragung. Für jeden Bereich gibt es seine Daseinsberechtigung. Welche Lösung die smarteste ist, ist abhängig vom Endprodukt, Budget und technischen Aufwand. Generell ist meine Empfehlung vorher immer die Datenleitung zu testen. Ist der Upstream zu gering, leidet die Bildqualität massiv darunter. Bis zu groben Klötzchen ist alles möglich. Sollte ich nur LTE nutzen können, weil kein Festanschluss vorhanden ist, sollte vorher die Netzabdeckung meines Providers gecheckt werden und Notfalls mittels Bündelung Übertragungskapazitäten ausgebaut werden. So sollte einer qualitativ guten und sicheren Übertragung mit RTMP zu YouTube etc. nichts mehr im Wege stehen.